Posted in Deutsch, Stories
2019-05-24

Es gibt Tage, an denen verliert man …

Schnaubend donnerte ich den Hörer zurück auf die Gabel und vergrub das Gesicht in den Händen. Archivar müsste man werden. Bloß nichts mehr mit Menschen zu tun haben. Es klopfte an die Tür und Evi streckte ihren Kopf in mein Büro. „Brauchst du noch was von mir?“

„Nein danke, ich wünsche dir ein schönes Wochenende. Nimmst du die Post bitte noch mit!“

„Na klar.“ Und schon war sie verschwunden.

Ich versuchte meinen Faden wiederzufinden. Über mir hustete die Klimaanlage und spuckte braunes Kondenswasser auf meinen Schreibtisch. Dann ging sie aus. Sofort bildeten sich Schweißperlen auf meiner Stirn. Zeit Feierabend zu machen, ich war ohnehin spät dran. Also nahm ich meinen Hut und ging. Auf dem Weg nach draußen fiel mein Blick auf den Postausgang.

„Mann Evi!“

Mit den Briefen unter dem Arm trat ich in das glumige Licht des Parkplatzes. Die Tür klickte hinter mir ins Schloss. Schwere Wolken hingen am Himmel. Schwitzend schritt ich durch die klebrige Luft zum Auto.

„So ein Mist!“

Meine Hände durchwühlten meine Taschen, aber fanden nichts. Fluchend machte ich kehrt und versuchte mich daran zu erinnern, wo ich die Schlüssel gelassen hatte. Natürlich ging die Tür zu unserer Firma nicht auf. Was nun? Mein Blick schweifte über den Parkplatz und blieb an Earl hängen. Der alte Pickup-Truck stand einsam und ramponiert am hinteren Ende. Niemand wusste mehr, wo seine Schlüssel waren, deswegen wurde er nur noch kurzgeschlossen.

Die rostige Tür quiekte leise, als ich sie zu warf. Das Cockpit roch modrig und war dreckig. Ich fingerte an den Drähten unter dem Armaturenbrett, bis Earl keuchend zum Leben erwachte.

Ich bog aus der Ausfahrt und übersah den kleinen Honda, der viel zu schnell war. Meine Vollbremsung ließ Earl schaukeln. Der Honda wurde nicht langsamer, sondern hupte genervt und raste vorbei.

„Arschloch!“ brabbelte ich in meinen Bart.

Für zwei Blocks war die Straße frei, dann blieb ich in einem Meer aus Rücklichtern stecken. Mein Telefon quakte.

„18:42 Liz: Wo bist du?“

„bn ufdeen wg“, tippte ich eindäumig in den Bildschirm und versuchte die Augen so wenig wie möglich von dem Stop-and-Go zu lassen.

Ein Blaulicht hinter mir erweckte meine Aufmerksamkeit und zwang mich zum Halt am Straßenrand. Die Polizisten stiegen aus. Ich schaltete den Motor ab. Sie kamen gemächlich heran, jeder auf einer Seite des Trucks. Ich ließ die Hände ruhig auf dem Lenkrad, aber innerlich kochte ich. In der ferne rollte ein Donner durch den Himmel.

„Papiere bitte“, verlangte der Beamte durch das offene Fenster auf meiner Seite. Sein Kollege beleuchtete mit einer Stablampe Earls Ladefläche. Dann beobachtete er genau, durch das Beifahrerfenster, wie ich die Dokumente hervorholte und seinem Partner gab.

„Haben Sie getrunken, Herr Nenegin? Sie fahren so unsicher.“ Er übergab meine Papiere der Leuchte, die mittlerweile auf der Fahrerseite angekommen war.

„Nein“, antwortete ich.

„Bitte steigen Sie aus dem Fahrzeug.“

Ich tat wie geheißen.

„Pusten Sie hier rein, bitte.“

Ich holte tief Luft und gab mein Bestes durchzuhalten, bis der Atemtester mich mit einem Piepen entließ. Lämpchen war in der Zwischenzeit von dem Streifenwagen zurückgekehrt, wo er meine Papiere überprüft hatte. Der Andere zeigte ihm beleidigt die 0,0 Promille und die Leuchte überreichte mir meine Sachen.

Ich wartete, bis sie abgefahren waren, weil ich nicht erklären wollte, warum ich unter Earls Armaturenbrett kriechen musste, um ihn zu starten.

Die Luft war rein. Ich ließ die Drähte funken. Earl hustete, hickste und verschluckte sich. Zuckend starb er unter meinen Fingern.

Die Pannenhilfe war freundlich, konnte aber wenig tun. Während der Gelbe Engel in Earls Därmen wühlte, rief ich Liz an.

„Ich brauch’ noch ‘ne Weile. Earl geht es nicht so gut.“

„Was ist denn mit deinem Auto?“

Der Gelbe machte sich daran Earls Leiche auf seinen Abschlepper zu laden.

„Lange Geschichte. Ich nehme mir gleich ein Taxi, wenn sie Earl weggebracht haben.“

Engelchen hupte und winkte, als er abfuhr und im Verkehr verschwand.

„Mach’ das. Vergiss’ nicht dir die Quittung geben zu lassen. Sonst finden wir ihn nie wieder.“

Ich fluchte noch, als ich schon im Taxi saß.

„110. Straße Ecke Eternal bitte.“ Der Fahrer trat das Gaspedal durch. Ich lehnte mich zurück und stöhnte, als ich das Schild sah.

„Bei Ihnen kann man nicht mit Karte zahlen!?“

„Nix Karte. Gerät putt.“

„Dann müssen wir an einem EC-Automaten halten.“

Sofort stieg er in die Eisen und hielt punktgenau neben einer Bank. Ein Blitz erhellte den Himmel, als ich ausstieg. Der Automat zog meine Karte mit einem Wusch ein. Ich drückte den gewünschten Betrag und die Maschine spuckte artig das Geld aus.

„Kannste gleich hergeb’n,“ erschreckte mich eine raue Stimme hinter mir. Ich drehte mich um und starrte in den Lauf einer Halbautomatik. Einen Moment spielte ich die Möglichkeiten durch. Ich schluckte. Mein Stolz blieb mir im Hals stecken und ich rückte die Scheine heraus. Die Knarre verschwand damit in der Dunkelheit.

Mein Schädel pochte. Wut rauschte in meinen Ohren und flüsterte mir Mordgelüste. Ich wandte mich wieder dem Automaten zu, um mein Konto ein weiteres Mal zu belasten. Hilflos horchte ich dem fiesen Knacken, als er die Karte fraß. „Ihre EC-Karte wurde aus Sicherheitsgründen eingezogen. Bitte wenden Sie sich an Ihre Filiale“, höhnte er. Meine Faust krachte auf den Bildschirm. Vandalismussicher. Nichts ist frustrierender, als einen Gewaltausbruch zu haben und das Ding an dessen Ende geht einfach nicht kaputt. Gedemütigt ging ich zum Taxi zurück. Mein Schicksal ließ den Fahrer gleichgültig mit den Schultern zucken. Gerne hätte ich ihm etwas hinterhergeworfen, als er mich am Straßenrand zurückließ.

Schäumend stapfte ich zur nächsten Bushaltestelle. Das Hemd klebte an meinem Rücken, sodass mir die vereinzelten Regentropfen nichts ausmachten. Der Bus kam.

„Fahrkarte?“

„Im ernst jetzt? Ich bin gerade überfallen worden, ihr fragt doch sonst auch nie nach.“

Der Fahrer zeigte stumm auf das Schild „Keine Beförderung ohne gültigen Fahrausweis“.

Ich hatte keine Kraft mehr, mich zu streiten. Geschlagen stieg ich aus und suchte mein Telefon. Ich wählte Lizs Nummer und drückte auf den grünen Hörer. Ein enttäuschtes Piepen wies mich auf den Akkustand hin. 0 %.

„So eine Scheiße!“

Es verlangte mir alles ab, das Telefon nicht auf die Straße zu schleudern und zu hoffen, dass es von einem 18-Räder erfasst würde.

Mir blieb nur noch laufen. Mit jedem Schritt schien die Luftfeuchtigkeit zu steigen, bis der Himmel mit einem Krachen seine Pforten öffnete. Die Sintflut versiegte pünktlich, als ich vor der erwünschten Tür Stand.

Ich trat ein und sog den vertrauten Geruch von uraltem Rauch und schalen Bier ein. Gelächter und fröhliche Musik verschlangen mich und trockneten meine Seele. Ja, ich könnte schwören, sogar meine Klamotten wurden sofort etwas trockener. Ich bahnte mir einen Weg durch den vollen Raum. Mit jedem Meter wurde der vergangene Tag blasser. Die Kellnerin drückte mir ein kaltes Bier in die Hand. Der erste Schluck löschte das wütende Feuer in mir.

„Da bist du ja endlich!“ Meine Freunde lachten laut über meine betretene Erscheinung und ich … lachte mit ihnen.

3 comments

  • Marie de Jonge

    Es gibt tatsächlich Tage, an denen alles schief läuft. Ich habe auch meinen Schlüssel im Auto liegen lassen. Dann musste ich einen Schlüsseldienst anrufen. Zum Glück kommt das nicht sehr oft vor!

    Reply to Marie de Jonge
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